Brudazzo und das Mericianum
Am westlichen Rand von Desenzano liegt der Weiler Brodazzo, früher Brudazzo. Auch hier soll die Familie Merici Ackerland besessen haben. Da dies der Tradition nach ebenfalls als möglicher Ort von Angelas innerer Schau angesehen wird, wurde hier 1965 das Mericianum erbaut als ein Ort für Exerzitien, Einkehrtage und andere spirituelle Aktivitäten [Bild]. Es wird von den Mailänder Orsoline di San Carlo e Sant’Ambrogio geführt[1].
Francesco Landini gibt 1566 in seinem Brief an einen Mitbruder eine etwas andere Beschreibung von Angelas Schau:
Während auf dem Feld ihre anderen Gefährten bei der Getreideernte zur Mittagspause gingen, entfernte sie sich zum Gebet; und einmal, erhoben im Geist, schien sich ihr der Himmel zu öffnen und eine wunderbare Prozession von Engeln und Jungfrauen heraus-zutreten, abwechselnd zu zwei und zwei. Die Engel spielten aufs verschiedenen Instrumenten und die Jungfrauen sangen; sie hörte den Klang so, dass sie ihn singen konnte. Und indem die Prozession weiterging, kam als eine der Jungfrauen ihre Schwester herab, schon im glückseligen Leben, denn sie war vor kurzem ins Paradies gegangen. Diese blieb mit der ganzen Prozession stehen und sagte voraus, dass Gott sich ihrer bedienen wolle, und dass sie eine Gemeinschaft von Jungfrauen gründen werde, die sich ausbreiten sollte...[2]
Landinis Informationsquelle ist unbekannt. Die beiden Schilderungen weichen in ihrem Kern voneinander ab: Einerseits geht es um das Seelenheil der verstorbenen Schwester ging, die in Angelas Augen nicht brav genug war, andererseits um Angelas Berufung zur Gründung einer Gemeinschaft. Es gibt Fragen bezüglich des Ortes und der Zeit: Machetto oder Brudazzo? Vor oder nach dem Aufenthalt in Salò? Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass es sich um zwei Ereignisse handelte. Dann wäre die Antwort auf die Sorge um die Schwester im Machetto, dem Ort der Kindheit, zu denken, und zwar kurz nach deren Tod, also als Angela etwa 17 Jahre alt war. Die Vision der Leiter, die Angelas Berufung ausdrückt, kann sich dagegen in Brudazzo nach der Rückkehr aus Salò zugetragen haben. Diese Zuordnung passt auch zu den Aussagen der Menschen an den beiden Orten.
Unterhalb der Einfahrt zum Mericianum erinnert ein Monument an die Vision [Bild]. Man kann sich aber auch sehr gut vorstellen, dass es auf einem der Felder war, zu denen die Fahrstraße führt. Von dort hat man einen wunderschönen Blick auf Desenzano und den See mit der Halbinsel Sirmione.
In Desenzano liegen Angelas menschliche und religiöse Wurzeln: Die ruhigen Jahre der Kindheit mit der selbstverständlichen Frömmigkeit in der Familie waren das Fundament dafür, dass sie als junge Frau ihren eigenen Weg finden und gehen konnte. In der inneren Schau der Leiter erfährt sie ihre Berufung. Die zwanzig Jahre, die sie allein in „Le Grezze“ gelebt, gearbeitet und vor allem gebetet hat, eine Zeit der Vorbereitung, der Reifung, ohne die das spätere Tun nicht möglich gewesen wäre.
[1] Vgl. I Luoghi di Sant'Angela Merici, 8° Sosta
[2] Angela Merici, Die frühesten Quellen, S. 9f
Campino - Angelas Vision
Gedenkkreuz für die Vision
Blick auf Desenzano