Die Regola der Compagnia di Sant'Orsola


Die „Regola della Compagnia de Santa Orsola“ Angela Mericis ist die erste eigenständige Regel einer Frau für Frauen. Sie entwirft eine für ihre Zeit ungewöhnlich freie, unabhängige und dennoch verbindliche Lebensform. Sie enthält kaum detaillierte Vorschriften, sondern leitet zu einer eigenverantwortlichen Lebenshaltung an.

Die Regel enthält zwölf Kapitel, in denen das Selbstverständnis und die Zielsetzung der Gemeinschaft umrissen werden. Wesentlich ist dabei, dass die einzelnen Frauen einen gesellschaftlich und religiös respektierten Status erhalten. Sie leben nicht weltabgeschieden in einem Kloster, sondern bleiben in ihren Familien oder an ihrem Arbeitsplatz. Dennoch verstehen sie sich als „Geistliche“ oder „Religiosen".

Die Regel Angela Mericis enthält als wesentliches Element die Evangelischen Räte , also die Verpflichtung zu Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit. Sie werden jedoch vor allem in ihrer spirituellen Dimension gesehen. Und obwohl sie für das Leben der Ursulinen als selbstverständlich angesehen werden, wird kein Gelübde gefordert. Vor allem dieses „geistliche“ Verständnis der Evangelischen Räte macht die Originalität dieser ersten Ursulinenregel aus. Sie enthält auch sonst kaum detaillierte Vorschriften. Vielmehr wird von den Frauen eine eigenverantwortliche und selbständige Haltung erwartet, die kleinliche Regelungen überflüssig macht. Zwar finden sich die traditionellen Kennzeichen des Ordenslebens, werden aber neu interpretiert; so entsteht eine freiere, unabhängigere und dennoch verbindliche Lebensform für Frauen.

Weitere Kapitel der Regel behandeln die Aufnahme in die Gemeinschaft, die Kleidung der Frauen, den „Umgang mit der Welt“, Fasten, Gebet, Messe, Beichte und die Leitung der Gemeinschaft. Eine besondere Kleidung war zur Zeit Angelas nicht  vorgeschrieben; erst in den folgenden Generationen bildete sich eine einheitliche Ordenstracht heraus.

Ungewöhnlich ist die Leitungsstruktur der Gemeinschaft. Jeweils vier junge Frauen („Colonelli“), vier ältere Frauen (Witwen) und vier Männer sind mit unterschiedlichen Aufgaben für die Gemeinschaft verantwortlich. Die vier jungen Frauen sind Mitglieder der Gemeinschaft. Ihnen kommt die geistliche, also die im Sinne Angelas wichtigste Führung zu. Die Witwen und die Männer sind dagegenim wesentlichen für die materiellen und rechtlichen Angelegenheiten zuständig. Sie sind erfahrene und angesehene „in der Welt“ lebende Leute, die über Geld und Einfluss verfügen; sie gehören im engeren Sinn nicht zur Gemeinschaft. Auffallend ist auch, dass kein Leitungsamt für einen Priester vorgesehen ist. Die Gemeinschaft soll als Vereinigung von Frauen unabhängig bleiben, auch von der Leitung durch männliche Geistliche.

Die Gemeinschaft bietet den Frauen auch ohne ein Gemeinschaftsleben wie in einem Kloster eine Heimat, einen geistlichen, aber auch einen sozialen und materiellen Rückhalt. Dies wird am Schluss der Regel konkretisiert: Das Vermögen der Gemeinschaft soll klug verwaltet und vor allem zur Unterstützung bedürftiger Mitglieder verwendet werden. Bleiben Frauen ohne Familie allein zurück, so sorgt die Gemeinschaft für sie, beispielsweise dadurch, dass eine andere Frau sie bei sich aufnimmt oder mehrere Frauen sich mit finanzieller Unterstützung durch die Gemeinschaft gemeinsam eine Wohnung mieten. Hilfe erhalten auch die Armen und Kranken unter ihnen, und schließlich gehören auch der Beistand beim Sterben und der letzte Dienst bei der Bestattung und das Gebet für die Toten zu den gemeinschaftlichen Aufgaben.

In dem Vorwort „An den Leser“, das Angelas Sekretär Gabriele Cozzano für diese Regel verfasst hat, schildert er begeistert die Vorzüge dieser neuen Gemeinschaft, in der er die Bemühungen um eine Erneuerung der Kirche grundgelegt sieht.
 


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