Die Cozzano-Briefe


Die drei Briefe wurden in den Jahren nach Angelas Tod geschrieben, als die Gemeinschaft in einer schweren Krise war. Autor ist Gabriele Cozzano, der als Angelas Sekretär mit ihren Gedanken und Absichten bestens vertraut war. Er verteidigt die ursprüngliche Form der Gemeinschaft gegen Bestrebungen, sie den damals üblichen Vorstellungen von einem geistlichen Leben für Frauen anzupassen. Dabei zeigt er die wesentlichen Züge von Angelas Konzeption auf. Zugleich vermittelt er ein eindrucksvolles Bild der Gründerin selbst.

„Gabriele Cozzano, durch den Willen Gottes, obwohl unwürdig, Kanzler [d. i. Sekretär] der verehrungswürdigen Mutter Frau Angela, Gründerin der Gemeinschaft der Jungfrauen, genannt die Compagnia di Sant’Orsola, und erwählter Beschützer dieser Jungfrauen“, so stellt sich der Schreiber dieser Briefe selbst vor. Er war Professor der Literatur. Er war auch Jurist und erledigte alle notariellen Angelegenheiten für die Gemeinschaft. Er war kein Kleriker, sondern Laie.

Diesem Gabriele Cozzano hat Angela ihre Schriften – Regel, Ricordi und Legati – diktiert. Mit Angelas Gedanken und Absichten ist er sehr vertraut, ja er identifiziert sich damit. Im Bewusstsein, von der Gründerin selbst als Beschützer eingesetzt zu sein, schreibt er die drei Briefe, als die Gemeinschaft in den Jahren nach Angelas Tod 1540 in ihre wohl schwerste Krise gerät. (siehe Ordensgeschichte)

Er schreibt zunächst – wohl 1544 – die „Epistola confortatoria“, den „Trostbrief“ an die Colonelli, die leitenden Schwestern, um sie über den Verlust der ausgetretenen Mitschwestern zu trösten. 1545 schreibt er an die Colonelli und die älteren Frauen – zumeist Witwen, die für die Bedürfnisse der Schwestern sorgen – seine „Risposta contro quelli che persuadano la clausura alle Vergini di Sant’ Orsola“, also eine Argumentation gegen diejenigen, die in der Gemeinschaft die Klausur einführen möchten; er hofft vergeblich, damit eine Spaltung verhindern zu können. Der dritte Brief ist die „Dichiarazione della Bolla del Papa Paulo III.“, die Übersetzung und Erklärung der Bulle zur Bestätigung der Gemeinschaft durch den Papst; diesen Brief hat Cozzano 1546 unmittelbar nach Veröffentlichung der Bulle verfasst und an die Gemeinschaft und namentlich an Ginevra Luzzago gerichtet, die nach der Spaltung die Gruppe der Angela-Treuen leitet.

In Cozzanos entschiedener Verteidigung der ursprünglichen Form gewinnen wir einen authentischen Einblick in Angelas geistliche und strukturelle Konzeption. In seinem Engagement für ihr Werk vermittelt Cozzano auch ein Bild von Angela selbst. Vor allem in der Dichiarazione würdigt Cozzano in großer Verehrung die Persönlichkeit und das Charisma Angelas.
Vier Wesenszüge Angela werden deutlich:

  • In ihrer Gottverbundenheit hat sie eine große Ausstrahlung. Sie ist der Mittelpunkt ihrer Gemeinschaft.
  • Ihre Bescheidenheit zeigt sich in der Art ihrer Menschenführung. Sie handelt nie im Alleingang, sondern berät sich vor allem mit ihren Schwestern, tritt hinter ihnen zurück und ermutigt sie, selbständig zu handeln.
  • Die Wertschätzung jeder Einzelnen ihrer Schwestern ist Angela ein großes Anliegen. Dabei fällt auf, dass Angela den reifen, erwachsenen Menschen anspricht.
  • Angelas Ergriffen-Sein von Gott prägt auch ihre Ausstrahlung auf die Zeitgenossen.

Cozzano sieht auch Angelas Bedeutung für die Kirche ihrer Zeit, in der in den Orden und im Klerus so vieles im Argen liegt. Die Erneuerung der Kirche gemäß dem Evangelium ist für Cozzano ein wichtiges Motiv, Angela und ihre neue Gemeinschaft so vehement zu verteidigen. Er zeigt in Angelas Entwurf Parallelen zu dem Idealbild christlichen Lebens auf, das die Apostelgeschichte vorstellt. Für Angela liegt demnach der Akzent darauf, in der Orientierung am Evangelium ein christliches Leben in der Welt zu führen, ohne Absonderung durch Klostermauern, vielmehr als Sauerteig überzeugend und auf andere ansteckend zu wirken, auf den Heiligen Geist hörend, der als Antwort auf die jeweiligen Bedürfnisse der Menschen neue Wege weist.

Indem Cozzano Angelas Konzept verteidigt, zeigt er immer wieder, dass Angela mitten in der von Laien getragenen innerkirchlichen Reformbewegung dieser Zeit stand.

Die Briefe sind in einer rhetorisch durchformten Sprache verfasst, die in deutlichem Gegensatz zu der einfachen Sprache der Angela-Schriften steht.

 


Zum Herunterladen:
Die Cozzano-Texte im Original und in deutscher Übersetzung