Europaweit: Die Ursulinen als Schulorden

Die Umwandlung der Laienbewegung in einen monastischen Orden stellt zwar eine Einengung des Lebensraumes der Schwestern dar, kann aber die von Angela grundgelegte Offenheit der Ursulinen für die „Welt“ nicht grundsätzlich in Frage stellen. Zugleich beginnt damit die Entwicklung zum ersten weiblichen Schulorden. Die Ursulinen werden neben den Jesuiten für die religiöse Erziehung und Bildung der Jugend in Europa und in der neuen Welt von größter Bedeutung.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts werden Bordeaux und Paris auch zum Ausgangspunkt für Niederlassungen in Flandern und Wallonien, in Deutschland und in der Donaumonarchie sowie in Osteuropa. Das erste deutsche Ursulinenkloster entsteht 1639 in Köln.

Jede dieser Neugründungen ist mit der Eröffnung einer Mädchenschule und eines Internat verbunden. Daneben gibt es stets auch externe Elementarschulen, die allen kostenlos offen stehen.

Da man in der Erziehungstätigkeit der Ursulinen auch ein wichtiges gegenreformatorisches Instrument sieht, sind oft katholische Landesherren oder Ortsbischöfe die treibende Kraft für Neugündungen.

Während das 17. Jahrhundert eine lang andauernde Blütezeit in der Entwicklung des Ursulinenordens darstellt, wird er seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durch mehrere Krisenzeiten erschüttert.

Ab 1780 rollt eine Säkularisierungswelle über Europa hinweg. Zunächst sind die katholischen Länder der Habsburger und österreichischen Niederlande von der kloster- und ordensfeindlichen Politik Josephs II. betroffen. Für viele Klöster bedeutet dies das Ende oder zumindest die Verhinderung jeglicher Entfaltung.

Noch vernichtender wirkt sich die Französische Revolution. Fast alle 350 französischen Ursulinenklöster werden zerstört und die Schwestern vertrieben, verfolgt und auch getötet. Erst unter Napoleon können einige Ursulinenklöster in Frankreich ihre Erziehungstätigkeit wieder aufnehmen.

In Deutschland wirken sich ab 1802 insbesondere im süddeutschen Raum Säkularisation und Franzosenherrschaft aus. Zwar dürfen die meisten Ursulinenkonvente auf Grund der Wertschätzung des erzieherischen Wirkens ihre Tätigkeit fortsetzen, das Verbot der Aufnahme neuer Mitglieder beeinträchtigt jedoch die pädagogische Arbeit und den Fortbestand der Gemeinschaften.

Im Zuge der Restauration seit 1815 erleben die Ursulinen in Deutschland eine neue Zeit der Blüte, zumal seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die höhere Mädchenbildung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Hinzu kommt die Ausbildung von Lehrerinnen für den Volksschulbereich. Dadurch wächst der Einfluss der Ursulinen auf das einfache Volk.

Für die zu Preußen gehörenden Länder wird diese Entwicklung ab 1871 durch den Kulturkampf jäh beendet. Da nach Ansicht seiner Verfechter die pädagogische Tätigkeit der Ursulinen dem kulturellen Fortschritt entgegenwirkt, verlassen die meisten Schwestern Deutschland und zerstreuen sich in verschiedene europäische und außereuropäische Länder. So kommt es zu Neugründungen in den Niederlanden, Belgien, England, Amerika und Australien.

Nach dem Kulturkampf erlebt besonders das höhere Mädchenschulwesen einen beachtlichen Aufschwung. Die Ursulinen nehmen teil an den einsetzenden Schulreformen, und Schwestern gehören zu den ersten weiblichen Studierenden an den Universitäten. Auch in dieser Zeit entsteht eine Reihe neuer Klöster.

Die Nationalsozialistische Diktatur unter Hitler bringt die Orden ab 1933 erneut in äußerste Bedrängnis. Das Vorgehen gegen die einzelnen Klöster lässt schon bald auf einen beginnenden Schulkampf schließen, der 1938 offen ausbricht. Auflösung, Vertreibung und die Umwandlung der Privatschulen in öffentliche Schulen zwingen die Schwestern, sich nach anderen Aufgaben im seelsorglichen oder karitativen Bereich umzusehen. Der 1941 ausbrechende Klostersturm bringt für mehrere Klöster durch den Verlust des Besitzes und der Heimat große Not. Hinzu kommt am Ende des Krieges die Vertreibung der Ursulinen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten.

Doch gleich nach Kriegsende beginnen die Ursulinen mit dem Wiederaufbau der Klöster und Schulen und mit der Errichtung neuer pädagogischer Einrichtungen. Eine neue Blütezeit scheint sich anzubahnen. Sie findet Unterstützung durch den Aufbruch innerhalb der katholischen Kirche im Zweiten Vatikanische Konzil. Doch der bald einsetzende Mangel an Ordensnachwuchs und die damit zunehmende Überalterung sowie der notwendig werdende räumliche und institutionelle Ausbau der Schulen bringen die Ursulinen erneut in Bedrängnis. Die Krise innerhalb der katholischen Kirche und der gesellschaftliche Pluralismus zwingen sie zu einem Überdenken ihres Selbstverständnisses.

In der Besinnung auf die ursprüngliche Absicht Angela Mericis und im Hören auf die Erfordernisse der Zeit liegt die Chance zu einem neuen Aufbruch:

Was würde Angela Merici heute tun?